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Wundermittel Schreiben

Mag sein, dass ich etwas übertreibe, wenn ich Schreiben als „Wundermittel“ anpreise. Aber wenn ich mir die verschiedenen Bücher über das Schreiben lese und die lange Liste an Funktionen durchsehe, die dem Schreiben nachgesagt werden, dann liegt mir automatisch so ein Lobwort auf der Zunge.

Über das Schreiben wird nicht erst seit gestern geforscht, sondern bereits seit Jahrzehnten. Der erste Poesietherapiekongress in Deutschland fand 1986 statt, in Amerika hatte die Poesietherapie bereits viele Jahre zuvor ihren fixen Platz. Zu Poesietherapie zählt übrigens auch jedes selbstanalytische Verfahren, das mittels Schreiben zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Genau das versuche ich in meinen Schreibworkshops zu unterstützen: verschiedene Schreibaufgaben sollen anregen, genauer in sich reinzuhorchen und dem zu vertrauen, was auftaucht.

Was passiert nun beim Schreiben und wie wirkt es?

Beim Schreiben passiert vieles …

Schreiben ist kreativer Selbstausdruck und stimuliert – wie andere kreative Tätigkeiten auch – direkt unser Unterbewusstes; dies lässt sich durch bestimmte Schreibtechniken noch intensivieren.

Der Kontakt mit dem Unterbewussten wiederum weckt Erinnerungen und Träume. Und zwar nicht nur „geistig“, sondern durchaus auch sinnlich: wir erleben und erinnern uns an Farben, Gerüche, Melodien, Gefühle.

Dabei passiert gleichzeitig etwas anderes Wichtiges: Wir spalten uns beim Akt des Schreibens auf – in eine Person, die erlebt und in eine, die das Erlebte in Worte fasst. Dadurch reichern wir uns mit Gefühlserinnerungen an, distanzieren uns aber gleichzeitig davon und erkennen manches klarer. Das entlastet und befreit.

Durch das Schreiben akzeptieren wir außerdem das Erlebte, wir verinnerlichen es – was das Fundament jeder Selbsterfahrung darstellt.

Auch das Loslassen gelingt durch diesen Prozess nachweislich leichter.

Das schriftliche Festhalten erfordert mehr Präzision als gedankliches Grübeln. Es macht also einen Unterschied, ob Sie schreiben oder „nur“ denken – das können Sie jederzeit selbst ausprobieren. Vorher oft „unfassbare“ Inhalte werden in Form gebracht und sind nun „begreifbar“, oft werden sie durch Symbole, Metaphern, sprachliche Feinheiten verdichtet und erscheinen plötzlich zusammenhängend. Eine wichtige Funktion des Schreibens ist daher, dass es Sinn stiftet.

Das wiederum stärkt die Zufriedenheit mit sich selbst, dazu das Vertrauen in die eigene Stimme und in den eigenen Weg.

Schließlich werden wir beim Schreiben langsamer, wir zentrieren uns, wir lenken die Aufmerksamkeit auf die eigene Mitte und lernen, feine Regungen wahrzunehmen. Momentane Empfindungen, leise Gefühle, körperliche Ausdrücke. Und wer weiß, vielleicht lernen wir ja eines Tages, auf diese Eindrücke auch tatsächlich einzugehen …? Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen hauptsächlich „funktionieren“ und ihr Befinden immer und immer wieder unterdrücken, wäre dies doch ein schönes Ziel☺

Tja, und dann macht Schreiben schlicht und einfach Spaß. Eigentlich müsste das ja an erster Stelle stehen. Beim Schreiben vergisst man leicht Zeit und Raum, gibt sich ganz seinen Fantasien und Gefühlen hin und lässt die Worte im wahrsten Sinne des Wortes fließen. Wem dies tatsächlich gelingt, ohne inneren Zensor und ohne Leistungsdruck, schafft spielerisch und wie nebenbei die Basis für wirklich gute und mutige Texte!

Ich beende meinen Beitrag über das Wundermittel Schreiben mit den Worten eines bekannten Schreibtherapeuten und Psychologen, mit Jürgen vom Scheidt:

Das Schreiben ist viel zu kostbar, um es nur den Profis zu überlassen.

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