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Das Tagebuch eines Schriftstellers.

Schreiben ist immer ein Mix aus eigener Erfahrung, aus eigener Beobachtung und aus eigener Fantasie. Schriftsteller sind nicht unbedingt besser im Erfinden von Geschichten als Sie und ich. Aber sie sind besser im Beobachten und im Festhalten. Wenn einem Schriftsteller in der U-Bahn ein besonders Verhalten, eine skurrile Eigenschaft, ein überraschender Geruch oder ein interessanter Dialog auffällt, dann schreiben viele das sofort in ihr Notizbuch. Irgendwann werden sie dieses oder jenes Detail in ihren Texten einbauen. Vielleicht um eine Figur lebendiger zu gestalten, vielleicht um einen Ort wirklicher erscheinen zu lassen.

Wenn Sie an einem eisigen Wintertag eine Szene über einen Sommerausflug schreiben wollen, dann kann es helfen, in Ihrem Notizbuch nachzulesen, wie bei Ihrem Picknick in der Au die Butter auf dem Brot geschmolzen ist, wie lästig die Wespen waren; wie leise der Fluss vorbeigekrochen ist, weil er so wenig Wasser führte oder wie sich das warme Gras an ihren nackten Füßen anfühlte.

Nehmen Sie sich vor, jeden Tag etwas in Ihr Tagebuch zu schreiben. In das Tagebuch eines Schriftstellers. Dabei geht es nicht um persönliche Enthüllungen, kann sein, muss aber nicht. Vielmehr schreiben Sie darin kleine Begebenheiten auf, die Ihnen im Laufe des Tages auffallen; Satzfetzen, die Sie interessant finden, äußerliche Merkmale von Menschen, die Sie anziehen oder abstoßen; bestimmte Gerüche oder Geräusche, die Sie wahrnehmen.

Sie können sich bei Ihren Notizen auch spezielle Aufgaben stellen, um dabei gleichzeitig das Handwerk des Schreibens zu üben:

Wechseln Sie die Perspektive: Schreiben Sie einmal in der Ich-Form, einmal in der Sie- oder Er-Form. Schreiben Sie auch einmal aus der Perspektive des anderen Geschlechts.

Schreiben Sie eine ganze Woche ohne das Verb „sein“. Formen von „sein“ vermitteln keine lebendigen Bilder. Sie werden sehen, dass kraftvollere Sätze entstehen, wenn auch das Verb ein stärkeres ist.

Verändern Sie den Sprachstil: Schreiben Sie einmal in der Kindersprache, einmal im Beamtenjargon, einmal in der Gelehrtensprache.

Experimentieren Sie mit der Satzlänge: Schreiben Sie zum Beispiel einige Tage hintereinander ausschließlich Sätze mit höchstens zehn Wörtern. Dann wieder versuchen Sie, einen Bericht mit einem einzigen Satz anzufertigen.

Oder verzichten Sie einige Tage lang auf das Wort „und“. Verbinden Sie Ihre Sätze mit anderen Konjunktionen.

Überlegen Sie sich selbst andere Aufgaben.

Tag für Tag sammeln Sie auf diese Weise Eindrücke, verfeinern Ihre Wahrnehmung und Ihre Ausdrucksweise, Tag für Tag mehren sich Ihre geschriebenen Seiten und Tag für Tag werden Sie mehr zum Schriftsteller☺ Sie werden es nicht mehr missen wollen. Viel Spaß!