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Öle für die Seele

Ätherische Öle haben viele Eigenschaften und wirken immer auf Seele, Geist und Körper. Hier mein aktueller Artikel für die „Welt der Frau“:

Manchmal geraten Seelen aus dem Gleichgewicht. Nicht immer muss man zu pharmazeutischen Medikamenten greifen, oft genügt ein Anstoß aus der Natur. Ätherische Öle können hier wirksame Unterstützung bieten und werden vermehrt auch in der psychiatrischen Pflege vieler Landeskrankenhäuser verwendet.

Ein Tropfen Öl – und das Gedankenkreisen kann sanft leiser werden, die Anspannung darf sich auflösen, ein Schlafimpuls lässt einen tiefer ins Bett sinken. Ätherische Öle wirken ruhig und unaufdringlich. Langsam, aber stetig führen sie den gesamten Menschen in Richtung Harmonie und regen die Selbstheilungskräfte an. Sie behandeln immer Körper, Geist und Seele.

Bei uns wurden ätherische Öle lange Zeit ausschließlich mit Wellness in Verbindung gebracht. Sie sind aber mehr als Wellness und gelten längst als ganzheitliche Therapieform. Die ätherischen Öle sind ein Teilgebiet der Phytotherapie und gehören damit zur naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Frankreich gilt als Hochburg der Aromatherapie, wo sie als eigenständige Therapieform anerkannt und von den Krankenkassen bezahlt wird. Während in Frankreich und England die Öle von Ärzten auch oral und als Einzelmaßnahme verabreicht werden, konzentriert sich der Einsatz in Österreich auf äußerliche Anwendungen und zusätzlich zur „Haupttherapie“.

Wirkung auf Hormone und Botenstoffe
Die unterschiedlichen Inhalts- und Wirkstoffe der ätherischen Öle werden seit vielen Jahren wissenschaftlich erforscht, auch im Hinblick auf ihre psychische Wirksamkeit. Viele Studien haben hier interessante Ergebnisse gebracht, etwa dass sich ätherische Öle mild regulierend auf zahlreiche Botenstoffe und Hormone auswirken und somit Psyche, Hormon- und Nervensystem positiv beeinflussen. Ein intensiv erforschtes Öl zum Beispiel ist Bergamotte. Bergamotte gilt mittlerweile als anerkanntes Mittel bei Depressionen, weil es den Serotoninspiegel moduliert. Gleiches gilt für Lavendel. Lavendel reguliert zudem die Produktion von Stresshormonen und wirkt stimmungsaufhellend, ebenso Palmarosa, Rose, Koriander. Auf die Hypophyse wiederum und das nachgeordnete Hormonsystem wirken Patchouli, Sandelholz oder blaue Kamille. Ein beliebter Angstlöser etwa ist die Angelikawurzel, die ebenfalls die Serotoninausschüttung beeinflusst, aber auch die Zirbeldrüse und das Schlafhormon Melatonin.

Einsatz in der Psychiatrie
Seit 2001 werden ätherische Öle „offiziell“ in einigen Landeskrankenhäusern eingesetzt. Die ärztlich geprüfte Aromapraktikerin und dipl. psychiatrische Krankenschwester Claudia Arbeithuber arbeitet mit Suchtkranken im Sonnenpark Bad Hall, einer Außenstelle des Wagner Jauregg Krankenhauses Linz. Arbeithuber, die eine eigene Aromapraxis hat und auch als Vortragende aktiv ist, sagt zur Anwendung in Krankenhäusern: „Es gibt klare Vorgaben, welche Öle wofür eingesetzt werden. In Bad Hall gibt es ausschließlich die Raumbeduftung mit einigen ausgewählten Ölen. Wir haben sehr gute Erfahrungen, dass Öle über Stimmungstiefs hinweghelfen, dass sie die Motivation erhöhen und insgesamt die Offenheit fördern.“

Auch für Monika Smida, dipl. psychiatrische Krankenschwester und ärztlich geprüfte Aromapraktikerin in der Salzburger Christian Doppler Klinik, sind die ätherischen Öle eine wertvolle Unterstützung für PatientInnen: „Jeder Krankenhausaufenthalt verursacht Unsicherheit und Angst. Schon der Geruch erinnert an eine Ausnahmesituation. Die Raumbeduftung schafft sofort eine andere Atmosphäre.“ Die Christian Doppler Klinik, Teil der Salzburger Landeskliniken, ist spezialisiert auf Psychiatrie, Neurologie, Geriatrie und Neurochirurgie. Flächendeckend wurden vor zwei Jahren ätherische Öle in der Pflege implementiert. Es sind vier Hauptöle im Einsatz – Lavendel, Mandarine rot, Zitrone, Grapefruit – und einige Spezialmischungen. Borderline-PatientInnen zum Beispiel sind von Grapefruit begeistert. Wenn Sie über das Wochenende nach Hause fahren, hilft ihnen die Grapefruit über schwierige Situationen hinweg; sie hebt die Stimmung und lenkt von kreisenden Gedanken ab.

Anregend oder beruhigend
Im psychosomatischen Zentrum Eggenburg, das zu zwei Dritteln dem Land Niederösterreich gehört, arbeitet Claudia Koska-Winkler in der Abteilung Traumatherapie. Die diplomierte Krankenschwester und ärztlich geprüfte Aromapraktikerin, ebenfalls mit eigener Praxis, spricht von verschiedenen Anwendungsformen: „Duftfleckerl“, Aromastreichungen, Bäder oder Raumbeduftung. Ein Ziel ist es unter anderem, die Psychopharmaka während des Aufenthalts zu reduzieren. Und hier kann man mit ätherischen Ölen gut überbrücken, insbesondere auch dann, wenn die Gesprächstherapie sehr belastend ist. Koska-Winkler: „Wenn sich in der Therapie etwas bewegt, haben PatientInnen oft extreme Spannungszustände und auch Ängste. Hier kann man sie mit einem Wurzelöl gut zentrieren, zum Beispiel mit Zeder.“

Wenn die Seele aus dem Gleichgewicht gerät, muss das nicht immer einem starken Sturm gleichen, es reicht ein leichter Gegenwind, der Beschwerden verursacht. Ob das nun Schlafprobleme sind, Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungstiefs oder Nervosität. Ätherische Öle können hier ein schöner Weg sein, wieder fest im Leben zu stehen.


Die Duft-Apotheke
Ein kleiner Führer für eigene Anwendungen

Medizin muss nicht bitter schmecken, in diesem Fall duftet sie sogar. Schon die Beschreibung der einzelnen Öle öffnet das Herz. So wird etwa Basilikum als „Balsam für die Seele“ bezeichnet, Angelika als das „Angst- und Kraftöl“, Mandarine schenkt „süße Geborgenheit“ und Bergamotte ist ein „Lichtblick in trüben Stimmungen“.

Einzelöle nach Wirkung:
Angstlösend: Mandarine, Orange, Angelikawurzel
Beruhigend: Lavendel, Kamille, Tonkabohne, Benzoi Siam, Zeder, Sandelholz
Erinnerungsfähigkeit, Demenz: Hölzer, wie Rosengeranie, Zeder, Weißtanne; Zitrone
Gegen Gedankenkreisen, für Klarheit: Zitrusöle, Bergamotte
Konzentrationssteigernd: Zitrusöle, Rosmarin-Cineol
Kreativitätsfördernd: Tonkabohne, Benzoe Siam, Eisenkraut, Melisse, Litsea, Lemongrass
Problemlösend: Zitrusöle gemischt mit Palmarosa, Manuka oder Narde
Psychischer Schock: Neroli, Rose
Schlaffördernd: Lavendel, Melisse, Zeder, Zirbelkiefer, Zirbe, Jasmin, Muskatellersalbei

Beliebte Mischungen:
Für Kinder bei Schularbeiten/Prüfungen: kleines Fläschchen mit Zitrone und Lavendel
Bei längeren Autofahrten: auf einen Filzanhänger Zitrone, Grapefruit und Lemongrass tropfen, hebt die Stimmung und fördert die Konzentration
Anti-Stress: in Rose-Jojobaöl Lavendel, Orange, Benzoe Siam oder Melisse, Rose und Sandelholz oder rote Mandarine und Majoran
„Mutmacher“: Lavendel, Grapefruit, Palmarose, Zirbelkiefer
„Seelenschmeichler“: Bergamotte, Mandarine rot, Benzoe Siam, Tonkabohne
Stimmungsschwankungen in den Wechseljahren: Limette, Grapefruit, Jasmin, Sandelholz

Anwendungstipps:
Die ätherischen Öle werden als Einreibungen, Bäder oder in der Duftlampe verwendet. Bei chronischen Beschwerden sollte die bevorzugte Mischung für drei Wochen verwendet werden, dann entweder einige Tage Pause machen und wieder mit der gleichen Mischung fortsetzen oder eine neue Mischung ausprobieren. Bei akuten Anlässen wie Prüfungsangst reicht es, mit dem Öl ein, zwei Tage vorher zu beginnen.

Vorsicht bei der Dosierung!
Ein Zuviel kann schnell das Gegenteil bewirken. Ätherische Öle werden sehr sparsam dosiert. Als Richtwert gilt: 20 Tropfen Öl auf 100 ml Trägeröl (z. B. Mandelöl), bei psychischer Anwendung wird weniger empfohlen, 10 – 15 Tropfen auf 100 ml. In der Duftlampe 5 – 6 Tropfen. Auf ein Taschentuch 1 – 2 Tropfen. Für ein Bad 10 – 12 Tropfen. Die Öle nie direkt in das Wasser geben, sie müssen vorher in einem Emulgator gelöst werden, dafür eignen sich Honig, Meersalz, Obers, Milch. Bei Kindern generell nur die Hälfte der Menge verwenden.

Auf Qualität achten
Keine synthetischen Öle verwenden, nur 100 % natürliches ätherisches Öl.

Alle Beispiele sind bewährte Öle aus den genannten Kliniken bzw. aus der verwendeten Literatur. Wer die Öle nicht als Eigenmedikation verwenden will, kann sich in Apotheken oder von einer/m Aromapraktiker/in beraten lassen.

Interview mit Frau Kleindienst-John:

Frau Ingrid Kleindienst-John beschäftigt sich seit 35 Jahren mit ätherischen Ölen. Sie ist Autorin mehrerer Bücher zum Thema Aromatherapie und Gründerin und Leiterin des Ausbildungszentrums für Aromatologie und Blütenberatung in Buchbach.

Wie sind die Öle in Ihr Leben gekommen, wissen Sie das noch?
Dadurch, dass mein erster Mann einen Unfall hatte und dabei seinen Geruchssinn verloren hat, habe ich mich mit dem Riechvorgang sehr beschäftigt und daher zwangsläufig auch mit ätherischen Ölen.

Was fasziniert Sie an ätherischen Ölen?
Die Vielfalt und die weite Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten.

Wie groß ist das allgemeine Interesse an ätherischen Ölen?
Seit den frühen 80er-Jahren nimmt das Interesse stetig zu. In den letzten acht Jahren auch im pflegerischen Bereich, also im Krankenhaus.

Wie können ätherische Öle bei seelischen Beschwerden helfen?
Durch ihre stimmungshebende Eigenschaft, aber auch durch ihre ausgleichende Wirkung – je nachdem, welches Öl man verwendet. Allerdings sollten die Betroffenen auch in therapeutischer Betreuung stehen.

Worauf ist bei der Anwendung zu achten?
Ätherische Öle wirken sehr stark auf unsere Psyche ein und beeinflussen unsere Stimmung mehr, als man denken möchte. Es ist zum einen auf die Dosierung zu achten. Zu viel bewirkt oft das Gegenteil. Zum anderen natürlich, ob man den Duft auch riechen kann. Jede/r verbindet mit einem Geruch andere Erlebnisse. Das sollte berücksichtigt werden. Gut ist es, zuerst einmal zu schauen, wie wirkt ein einzelnes Öl. Dann kann man auch ein zweites oder drittes dazumischen.

Sie haben vor 15 Jahren Ihr Ausbildungszentrum gegründet. Wieviele Menschen haben seither eine Ausbildung zum Aromatologen gemacht?
Über 800 Personen.

Anmerkung: Es gibt derzeit drei offizielle Schulen in Österreich, bei der man eine zweijährige Ausbildung zur/m ärztlich geprüften Aromapraktiker/in absolvieren kann.

Über die Haut und die Nase direkt ins Gehirn
Zum einen über die Haut und die Schleimhaut. Schon einige Minuten nach der Einreibung sind die Öle im Blut nachweisbar. Das Blut leitet die Informationen an das Gehirn weiter. Zum anderen über den Geruchssinn. Der Duft wird unmittelbar vom limbischen System aufgenommen und als gut/schlecht erinnert. Von dort gelangen die Informationen weiter an den Hypothalamus und dann an die Hypophyse, wo entsprechende Emotionen ausgelöst und bestimmte Hormone und Botenstoffe zur Produktion oder Drosselung angeregt werden.

Faszinierende Vielfalt
Es gibt derzeit 284 verschiedene ätherische Öle am Markt und jedes Öl besteht aus einer Vielzahl an organischen Verbindungen, die sich in unterschiedliche Hauptgruppen mit ähnlichem biochemischen Aufbau einteilen lassen. Je nachdem, welche Hauptgruppe im Vordergrund steht, entfaltet das Öl sein spezifisches Wirkungsspektrum, und zwar körperlich und psychisch. So haben die meisten Öle auch antivirale, antibakterielle oder entzündungshemmende Eigenschaften.

Literatur:
Monika Werner, Ruth von Braunschweig: Praxis Aromatherapie
Ingrid Kleindienst-John: SOS Hexenschuss
Fred und Ingrid Wollner: Der neue Duftführer